ronald m. schernikau

30 JAHRE SCHERNIKAU - ZU EINEM JUBILÄUM


zehn jahre nach ihrer erstveröffentlichung legt nun der reclam verlag zu leipzig die kleinstadtnovelle von ronald m. schernikau in der ddr vor. der autor, zur zeit der niederschrift siebzehn oder achtzehn jahre alt, wird zudem dreißig jahre alt. ein jubiläum also.

die anekdote erzählt, die lektorin des rotbuch verlages in westberlin habe das geburtsdatum des autors für eine fiktion gehalten, für einen leicht lächerlichen versuch zu legendenbildung. sie wollte das buch trotzdem machen. als sie dem autor gegenüber saß, erwies sich die fiktion als wahr.

das läßt sich vom text glücklicherweise nicht behaupten. novelle, erinnern wir uns, das ist eine strenge form, fünfteilig, zielstrebig, künstlich. und tatsächlich versucht der junge mann von damals, mit der fülle an stoff in der form einer novelle fertig zu werden, die diesen namen auch verdient.

fülle an stoff? wenn ein kleinstadtgymnasiast ein buch über einen kleinstadtgymnasiasten schreibt, muß ihm der stoff wohl groß vorkommen. die details sind denn auch sichere nummern, wir erkennen, wiewohl in ganz anderen verhältnissen groß geworden, durchaus das eine oder andere wirkliche. was aber bleibt über die wirklichkeit hinaus?

schernikau beklagte sich einmal darüber, die kleinstadtnovelle sei vor allem in den jugendprogrammen der radiostationen besprochen worden. auch daraus erklärt sich wohl die für die brd sehr hohe auflage. auf fielen am buch die geschehnisse.

der reclam verlag nun druckt wohl eher wegen der merkwürdigen form von verarbeitung dieser geschehnisse. da fügen sich marxzitate, werbeslogans, literaturwissenschaftliche abhandlungen, spickzettel, eigens erfundene interjektionen, schier endlose komposita, schülerslang, bürokratensprache und wortwitzeleien zu einem textablauf, der heute wohl nicht anders als als postmodern zu bezeichnen wäre. die kleinstadtnovelle wäre somit formal ein erstes kleines klingeln der achtziger jahre.

thematisch allerdings haben wir es mit dem schaumkrönchen der siebziger zu tun. die kleinstadtnovelle, so sympathisch ihr anliegen ist, glaubt auf eine unmittelbare weise an die welt und ihre veränderung, die die jugendlichkeit des verfassers niemals vergessen machen kann.


nachgelassenes typoskript

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