Das ist die Hierarchie: Es gibt die Menschen. Es gibt die Halbgötter, die einmal außer­gewöhnliche Menschen waren. Und Götter gibt es wohl auch. Denn die Halbgötter, damit sie Götter werden, müssen nochmal zurück zu den Menschen. Außergewöhnliche Menschen finden. Nachschub für den Olymp. Das ist die Klammer, die LEGENDE hält.

Das ist die Geografie: die Insel inmitten des Landes. Westberlin, von der DDR umgeben. Mitten in der Zukunft die Vergangenheit.

Past revisited: vier Halbgötter unter, willkürlicher Auszug aus der Besetzungsliste, Schokoladen­fabrikanten mit Selbst­abschaf­fungs­drang gleich ihrer ganzen Kategorie - ja, sowas wird dann sozialer Kanzler, dem die Verhältnisse, die er selbst angezettelt hat, ihre Bizeps zeigen -, vier angehende Allmächtige unter Schlagersängerinnen, bunten Tunten, Parteiwohngebiets­gruppen­vorstands­mitgliedern, Fahrrad­ver­käufern mit Karriere­wunsch, schreienden Hausmeisterinnen, berufsverbotenen Lehrern, dem Neffen von Ulla und dem schönsten Mann der Welt. Und dann ist da auch noch Herr Lange, Vertreter der Zukunft, der mit der Vergangenheit in Handelsbeziehung tritt, vielmehr: getreten wird. Sie ahnen schon: Mal eben so ein kleiner Ausflug im Doppelstockbus wird das nicht. Die Prüfung der Götter sind die Menschen.

Das ist LEGENDE: furios montiert die erzählende Prosa, immer wieder paraphrasiert mit Interviews, Essays, Gedichten, ganz eigenständigen Werken. Dieser spielerisch assoziierende, leichte Umgang mit einer Überfülle Materials findet in einem Festspiel, einem Filmszenario, einem Monolog in Blankversen und einer Spionagekomödie in Stanzen zur Vollendung, Einlagen, vermerkt der Dichter, die bei Nichtgefallen an ihn zurückgesandt werden können.

Er legt LEGENDE aufs Muster der Bibel. Davon zeugen Gattungsreichtum, Kraft und Vielfalt der Sprache, Personnage und Handlungspracht, davon zeugt nicht zuletzt die offene Dramaturgie, die auf einen strengen Plan aus Teilen, Büchern, Kapiteln, Zwischentiteln, Versen baut.

Das ist der Dichter: Schernikau. Ein Kind, das lieber lacht als Spaß hat. Ein Kind, das Anregung und Ablenkung unterscheidet. Weil es gern lacht, dichtet es, teilnehmend zart, ironisch, sehr bestimmt die Wirklichkeit zur Wahrheit. Bis zur Apokalypse. Der Insel, nicht des Landes. Lachen ist siegen. Und wenn die Wirklichkeit zurückschlägt, beruhigt Sie dieser Dichter, sind das Angelegenheiten bloß eines Jahrhunderts.

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tk