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binz in berlin, in versen

30. Juni 2011 von redaktion

Aus Liebe flieht Irene Binz – gegen ihre politische Überzeugung – wenige Jahre nach dem Mauerbau in den Westen. Zum Vater des gemeinsamen Kindes. Und wird bitter enttäuscht. Ihre Geschichte, die in ihrer Einzigartigkeit exemplarisch für den Irrwitz der deutsch-deutschen Vergangenheit steht, gibt sie an ihren Sohn weiter.

Es gibt so einen Augenblick, da ist es
Egal. Es war egal. Ich war jetzt hier
Ich wollte diesen Vater da für dich.
Ich wollte diesen Mann und alles gut.

Wie überträgt sich Biografie? Wie wird die Vorstellung von Heimat geprägt und vorbestimmt? Und kann man sich von diesem Erbe befreien?

foto ulrich hartmann

Eine Produktion von PortFolio Inc.

mit Michael F. Stoerzer

Inszenierung Marc Lippuner
Ausstattung Halina Kratochwil
künstlerische Mitarbeit Thomas Georgiadis

8. , 9., 10. 7. 11 20:00 weitere Vorstellungen am 8. und 9. Oktober sowie am 5. und 6. November Theater unterm Dach, Danziger Straße 101, 10405 Berlin, Kartenvorbestellungen 030 – 9 02 95 38 17 theater unterm dach

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2 Antworten zu “binz in berlin, in versen”

  1. Ist Irene Binz aus der DDR geflohen?

    — fliehen; floh, ist geflohen;
    (aus etwas, vor jemandem/etwas) (irgendwohin) fliehen (aus Angst od. um einen sicheren Platz zu suchen), von einem Ort weglaufen, weil dort eine Gefahr ist flüchten vor den Feinden, dem Unwetter; fliehen. Der Verbrecher ist aus dem Gefängnis geflohen; Der Widerstandskämpfer musste vor seinen Verfolgern fliehen

    Waren die Folgen des von Deutschland angezettelten Krieges irrwitzig?

    — irrwitzig
    absurd, irrational, konfus, nicht rational, paradox, unklar, unlogisch, unsinnig, unvernünftig, vernunftwidrig, wahnwitzig, widersinnig

    Wie überträgt man Biografie

    — Biografie (gr. βιογραφία, von βίος bíos „Leben“ und -grafie) ist die Lebensbeschreibung einer Person

    Und was bitte soll das Geschwurbel über Heimat?

    Hat das alles noch etwas mit Ronald M. Schernikau, seiner Literatur und seinen politischen Überzeugungen zu tun?

    Ich bitte um Erklärung!

  2. m.e. “flieht” irene binz, wir reden hier und im folgenden nur von der protagonistin des versmonologs, sehr wohl, nämlich in die arme des mannes, den sie liebt; gerade im verständnis des “sicheren platzes”, den sie – vielleicht nicht offensichtlich, so aber lesbar – in der sehnsucht nach einer heilen kleinfamilie, in der hoffnung auf den mann, den sie liebt und haben will, sucht.

    geht man die folgen des von deutschland angezettelten krieges aus privater perspektive an, ist es durchaus denkbar, von “irrwitz” zu sprechen: wenn zwei gegensätzliche politische systeme installiert werden mit unterschiedlichen wertvorstellungen und unterschiedlichen perspektiven, die sich den bewohnern eröffnen. “absurde”, “konfuse”, “irrationale” entscheidungen wurden getroffen, die paare nicht paare sein ließen, familien nicht familien, heimat nicht heimat (selbstgewählt oder auch nicht). und wenn irene binz in den westen “umzieht”, indem sie im kofferraum illegal übertritt, tut sie das gegen ihre vernunft, ihrem gefühl folgend. auch das ein “irrwitz”.

    die übertragung von biografie vollzieht sich nach meinem verständnis, indem aspekte und ideale, die den lebensweg eines menschen bestimmen, an partner oder kinder weitergegeben werden, im versuch, diese zu bewahren, im falle von irene binz auch der versuch, sie durch den sohn weiterzuleben.

    zum stichwort heimat: betrachtet man sowohl “räumliche” als auch “soziale” und “emotionale” kategorien von heimat, wird deutlich, daß in der IRENE BINZ die mutter sehr klar das heimatbild ihres sohnes prägt, indem sie immer wieder betont, daß der ort, wo er seit 1966 aufwächst, nicht seine heimat sein darf. stets ist irene angstbesetzt, daß eugen (der sohn) die ddr vergisst, einen ort, an den er kaum erinnerungen haben kann:

    “denn diese große, übergroße angst war da
    du wendest dich mal ab; daß du mich mal verläßt.
    daß du die ddr verlierst; die richtung nicht
    mehr weißt. die angst hat mich nie ganz verlassen; nie.”

    eugen wächst mit einer resignierten mutter auf, die erzählt, daß sie glücklich war, als er noch ganz klein war. bevor sie – vorgeblich des sohnes wegen – in die arme des vaters “floh”, der sie letztlich nicht haben wollte.

    “ich versuche mich nicht zu beklagen. das gelingt mir nicht.
    ich tat doch alles nur für dich. wenn du nicht da
    gewesen wärst, wär alles doch nicht so gekommn.
    ich hätte nie an diesem mann gehangen so.
    ich wär ihm nicht gefolgt. ich hätte auch zurück
    gekonnt, du solltest doch nicht in ein heim. und ich
    ich muß dich doch beschützen. das verdankst du mir.
    ich habe dich beschützt. ich habe alles nur
    für dich gewollt. ich habe nichts für mich getan.”

    betrachtet man die zahlreichen entwürfe, umarbeiten und bearbeitungen der IRENE BINZ (inkl. der figur, wie sie sonst in der LEGENDE vorkommt), hat dies also ziemlich viel mit rms zu tun, seiner literatur (denn die geschichte seiner mutter, die ja eben auch seine eigene ist, beschäftigte ihn literarisch mehrfach und immer wieder seit dem interview, das er 1981 mit ihr führte) und seinen politischen überzeugungen, die AUCH durch die mutter geprägt wurden.

    ich bin ausschließlich von dem textmaterial IRENE BINZ an sich ausgegangen. und da faszinierte mich an dem text neben der irrwitzigen geschichte eben vor allem das verhältnis der eltern zu ihrem kind, ein verhältnis, das geprägt ist durch emotionale nötigung, vernachlässigung, egoismus, aber eben auch durch liebe.

    das alles und nicht weniger spiegelt unser theaterabend.

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