schernikau blog

ein angebot von schernikau.net

Archiv für die Kategorie ‘frings in den medien’

presseschau 4 – der letzte kommunist

Sonntag, 03. Mai 2009

Das Wunderbare an der unterhaltsamen Biografie von Matthias Frings besteht darin, dass er alle naselang aus Schernikaus Büchern zitiert und damit anregt, ein Werk zu entdecken, das ohne Vergleich dasteht. Wer den bevorstehenden Freudenfeiern in diesem Herbst die nachdenkliche Stille vorzieht, der lese zum Beispiel »die tage in l. – darüber, dass die ddr und die brd sich niemals verständigen können, geschweige mittels ihrer literatur«. Auf zweihundert Seiten Alltagsbeobachtungen des Grenzgängers, deren Hellsichtigkeit einem heute, zwanzig Jahre nach Erscheinen, schier den Atem verschlägt. – michael sollorz fürs nd

presseschau 3 – der letzte kommunist

Samstag, 04. April 2009

Dass Roland M. Schernikau im Jahr 1991, kurz nach dem Verschwinden der DDR starb, muss man nicht als Zeichen lesen. Todesursache waren die Folgen einer HIV-Infektion. Trotzdem ist sein herausragendes literarisches Werk undenkbar ohne die Utopie DDR. Zwanzig Jahre nach der friedlichen Revolution mag solches Denken befremdlich wirken. Aber befremdet haben gute Bücher wie “Kleinstadtnovelle”, “Die Tage in L.” oder “Legende” schon immer. Ihnen und Matthias Frings’ Biographie sind zahlreiche Leser zu wünschen. tobias amslinger für den mdr

Das kurze Leben und das vielfältige Werk werden von Matthias Frings nicht als klassische Biografie dargestellt. Stattdessen lesen sich die 89 Sequenzen wie ein Film-Szenario. Handlungsbetonte Rückblenden aller Art wechseln mit eher reflexiven Passagen ab. Es ist nicht ganz einsichtig, warum die nonchalant eingestreuten Lebenserinnerungen des Biografen fast ein (geschätztes) Viertel des Textes einnehmen. Die Quellenlage und -verarbeitung ist ausgezeichnet. Frings konnte den bei Rainer Bohn (der übrigens den Briefwechsel Hacks – Schernikau 1992 vorzüglich edierte) liegenden Nachlass einsehen und ausführliche Interviews mit der Mutter Ellen Schernikau und dem Lebensgefährten Thomas Keck führen. Einige instruktive Abbildungen wirken als gelungene Ergänzung, ein Personenregister fehlt leider. Es sollte bei einer Neuauflage unbedingt hinzugefügt werden. Die den Titel charakterisierende Überpointierung (statt “letzter Kommunist” hätte es vielleicht “Communist und Literat” oder “einer der letzten Umsiedler” heißen können) findet sich auch im Buch selbst etwas zu häufig. Trotzdem zeugt die Arbeit des langjährigen Schernikau-Freundes von viel Fleiß und Sympathie. Es ist zu wünschen, dass weitere Studien, Neuauflagen und Editionen aus dem Nachlaß folgen. volker gransow fürs deutschland archiv und kulturation.de

presseschau 2 – der letzte kommunist

Donnerstag, 12. März 2009

den sachbuchpreis der leipziger buchmesse durfte matthias frings nicht kriegen, dafür kriegt er kritiken wie die nachfolgend zitierten. übrigens: im schernikau blog können sie auch ihre eigene rezension veröffentlichen.

Frings, der später auch als Moderator des erfreulich unverklemmten Erotik-Fernsehmagazins „Liebe Sünde“ bleibende Verdienste erwarb, hat Schernikau in Berlin kennengelernt. Da war der Dichter, der „kleinstadtnovelle“ wegen, gerade eine vom Gerücht zur Berühmtheit sich aufschwingende Erscheinung, ein Wunderkind, ein Prinz. Frings baut einige Sätze, die viel Spaß machen („In diesem Sommer waren alle verliebt“), er versteht etwas von Bohemesoziologie, man lernt von ihm viel über Schlager, Rauschzustände, die feine Kunst der angeschickerten Konversation, Camp, das Schwärmen, das In-die-Wolken-Gucken und über Schernikaus Weg aus der Provinz ins Zentrum. Die Mutter des Dichters hatte ihn als Kind aus der DDR geschmuggelt, aber diese DDR, die sich hier einmal in Kunstdingen schlauer zeigte als sonst leider allzu oft, war mitgekommen bei jener Westreise, jedenfalls als Idee. In deren Wirklichkeit wollte Schernikau, der wusste, dass Ideen verhungern, wenn man sie künstlich von der Wirklichkeit trennt, später unbedingt zurück. Er hat es gerade noch geschafft, bevor der Staat, dem Schernikau zutraute, sein Zuhause werden zu können, versunken ist. Auch davon erzählt das Buch. dietmar dath in der faz

Das Merkwürdigste an Ronald M. Schernikau ist seine Literatur. Zugegeben, sein Leben ist auch ziemlich merkwürdig, jedenfalls solange wir meine, deine oder Spießers straighte Lebenslinie zum Vergleich nehmen. Als Kind im Kofferraum aus der DDR geschmuggelt, danach jahrzehntelang diesen Staat erträumend, ersehnend, in dessen realer und geistiger Welt er sich besser auskennt als wir uns im Raumschiff Enterprise; ein schwuler Kommunist – mit anderen Worten ein Widerspruch in sich; die ganze Hybridität, die daraus folgt: ein Propagandastück für ein Tuntenensemble, ein Schlager gegen Reagan für Marianne Rosenberg, ein monumentales Musical auf marxistischer Grundlage; schließlich der Schriftsteller, der allerletzter Bürger der DDR wird, mit 31 Jahren einen Tausendseiter abschließt und eine Woche darauf stirbt. Und das sind nur einige Daten.

Matthias Frings hat in seiner gründlich recherchierten Biografie all diese Kuriositäten ausgebreitet, und es ist dennoch kein Kuriositätenkabinett dabei herausgekommen. Wie ist ihm das gelungen? Indem er genau das getan hat, was ihm nun einige vorhalten: Er hat sich nicht auf die eine Person beschränkt, er hat keine bürgerliche Biografie geschrieben. Er verknüpft das Leben von Ronald M. Schernikau mit dem Ellen Schernikaus, das des Sohnes mit dem der Mutter, er täuscht keine Objektivität vor, sondern schreibt aus seiner eigenen Perspektive, er zeigt nicht the one and only, sondern einen Freundeskreis, eine Szene, eine Zeit, eine Gesellschaft. Anders gesagt: Er baut sein Buch nach Schernikaus Poetik. stefan ripplinger in der jungleworld

Matthias Frings deutet Schernikaus Leben nicht, er schnürt diesen von Politik und Sex und Kunst überquellenden Koffer nicht mit dem Gurt einer These zusammen. Es wäre von einem Freund auch zu viel verlangt. Frings hat ein persönliches, liebevolles, dabei dokumentarisches Werk über die Ikone einer Zeit geschaffen, in der die Politisierung von Sex und Identität ihren Höhepunkt erreichte.
Ob die ideologisierte Lust sich ohne Aids und Mauerfall anders entwickelt hätte als zum Hedonismus der Love Parade, zum coolen Sexkonsum? Und was wäre dann aus Ronald M. Schernikau geworden?
Leichter zu sagen ist, was von ihm bleiben sollte. Zündfunken wie die “einfache Probe” etwa, mit der Schernikau neue Leute testete, indem er das Gespräch auf Ideal und Wirklichkeit lenkte. Jammerte der Andere über die Wirklichkeit, konnte man ihn vergessen, redet er über seine Ideale: Dann wurde es interessant. wilhelm trapp in der süddeutschen

presseschau 1 – der letzte kommunist

Sonntag, 01. März 2009

im folgenden auszüge aus ersten rezensionen, meistens mit link zum langtext. übrigens: im schernikau blog können sie auch ihre eigene rezension veröffentlichen.

So wurde aus dem Drehbuch ein dicker Prosa-Wälzer, eine Art erinnerte Biografie – anschaulich und szenisch, spannend und pointiert erzählt. Frings ringt unsentimental wie gründlich darum, seinen Freund zu enträtseln und schreibt doch streng aus seiner Sicht. birgit walter in der berliner zeitung

Frings hat populäre Bücher über männliche Sexualität, Homosexualität und Aids geschrieben, er war Radiojournalist und taz-Kolumnist sowie Fernsehproduzent und Moderator der ersten Erotiksendung im deutschen Fernsehen “Liebe Sünde”. Vor allem aber war Matthias Frings ein enger Freund Ronald Schernikaus – und genau das hat ihn dazu qualifiziert, eine intime, detailreiche und von der ersten bis zur letzten Seite unterhaltsame Biografie über einen Autor zu schreiben, dessen Leben auch traumhaft gewesen sein mag, in einem viel größeren Maße aber tragisch war – eine Folge fortgesetzter Niederlagen, eine Geschichte des grandiosen Scheiterns. susanne messmer in der taz

Frings hat jahrelang recherchiert, hat Interviews geführt, Schernikaus Nachlass gesichtet und Briefe gelesen, und doch ist “Der letzte Kommunist” vor allem ein Buch über Matthias Frings geworden; Schernikau spielt sozusagen die zweite Hauptrolle. jörg sundermeier in der fr

Der letzte Kommunist ist nicht nur wegen der zahlreichen kurzweiligen Anekdoten (Alltag schwuler Intellektueller, Beziehungsdramen, Aids-Hysterie, Nachtleben, Klatsch usw.), sondern auch wegen der detailverliebten und aus eigener Anschauung gespeisten Beschreibung eines Ambientes, eines Zeitkolorits, über weite Strecken ein Lesevergnügen – sofern es einem gelingt, von der zeitweise enervierenden Eitelkeit des Autors abzusehen, dem Alice Schwarzer bereits in den Achtzigern “viel Freude am Formulieren” attestierte und der fortwährend fast ebensoviel von sich selbst erzählt wie von seinen zeitgenossen … thomas blum in konkret 3/9